35 Jahre Weichardt-Brot!
“DEMETER hat es erst geschafft, wenn es auch Bananen aus diesem Anbau geben wird.”
Das war ein Ausspruch 1971 von einem extremen Drogenpatienten Roland Z. aus unserer Heilstätte am Bodensee!
Zunächst hat uns unser Hausarzt Dr. Michael Domeyer den Vorschlag gemacht, frisches Vollkornbrot zu backen, dann unsere geliebte Kindergärtnerin Lieselott Hennig und fast am gleichen Tage auch noch unser Pfarrer Herr Dr. Oldmann.
Wir haben es gewusst, wir stemmen diese Aufgabe! Natürlich mussten zunächst einmal Menschen Vertrauen in uns setzen! Ich bin sehr stolz, dass wir sie nicht enttäuscht haben.
Mit einer Irus Futterschrotmühle und 800 kg Bauckhofgetreide fingen wir als Untermieter eines Konditors in Berlin Spandau einfach zu backen an. Es waren abenteuerliche Zeiten damals, Ende der 1970er Jahre! Doch wir trafen auf den Zeitgeist und konnten sehr überzeugend durch unser Engagement und Qualität die Menschen von unserem Brot begeistern. Interessierte junge Menschen trafen auf uns, wollten helfen und lernen! Schnell brauchten wir eine eigene Backstube! Die „Sesammühle“, das „Peace Food“ und die „Mutter Erde“ rissen uns geradezu die Brote aus den Händen.
Mucke stand zweimal in der Woche eine Viertelstunde vor 12 Uhr vor jedem der drei Waldorfkindergärten mit dem Renault R 4 und verkaufte die in der Nacht gebackenen Brote. Sie war die gute Seele der Unternehmung, hatte immer neue Ideen und überraschte die Bäcker immer wieder mit ihrer Spontanität! Ob sie nun alle in die Krumme Lanke zum Schwimmen schickte und solange den Ofen bewachte oder gemeinsame Reisen organisierte, immer hatte sie ein Herz und ein offenes Ohr für ihre Schützlinge. So wurde jeder, ob er nun wollte oder nicht, über die betriebliche Situation unterrichtet, es wurde jeder mit in Endscheidungen einbezogen. Vieles wurde gemeinsam nach der Arbeit unternommen, Konzerte besucht, Tanzen gelernt, Malkurse in der Backstube abgehalten, Ausflüge und sogar gemeinsame Urlaubsreisen nach Russland und Dänemark mit den Familien unternommen!
Man wollte auch menschenwürdig arbeiten, also wurde Sonntag und Montag nicht gearbeitet. Reihum wurde der Ansatz gemacht und morgens erst um 6 Uhr mit der Arbeit begonnen, damit ein vernünftiges Kulturerleben und Familienleben möglich war. Die Kunden wollten leider auf ihre frischen Brötchen nicht verzichten, so brach die Zeitbarriere, man fing schon um 4 Uhr an. Doch unser Brot wird ja erst richtig gut, wenn es drei Tage gereift ist, das hatten wir gerade erst den Kunden vermittelt, als unsere Bio-Kollegen den “Frischewahn” verbreiteten, sagt Heinz Weichardt.
Wir hatten mit unseren Kunden immer einen tollen Kontakt, wir konnten sie sogar davon überzeugen, Weißbrot nur zu den Wochenenden zu konsumieren! Als Vollkornbäcker waren wir oft sehr eigenwillig!, O-Ton Mucke Weichardt.
Heinz Weichardt hatte sehr strenge Vorstellungen und hütete die Sauberkeit und wachte über der Qualität, das hatte häufig zur Folge, dass er als streng galt und diese etwas lockere Zeit im Gegensatz zu seinen Vorstellungen stand. Doch es hat wie wir nun heute alle wissen, dazu geführt, dass eine große Anzahl ausgebildeter Menschen unsere Brotqualität in die weite Welt gebracht haben. Madras, Oregon, Sydney, Goa, ……. Eine Weltreise könnte man machen, um alle “Schüler” aufzusuchen.
Nun sind 35 Jahre ja fast schon zwei Generationen, denn die kleine Yvonne, die siebenjährig hinter dem ersten Ladentisch auf dem Stuhl stand und fragte “was hätten Sie gerne?”, ist heute die Juniorchefin und ihre kleine siebenjährige Tochter belegt fachmännisch die Pralinen mit extra ausgesuchten Pistazien! Die beiden großen Söhne helfen in den Ferien gerne schon mal im Bioladen aus! So geht es scheinbar völlig lückenlos in die nächsten Generationen über, dieses wunderbare Handwerk!
Ohne Opfer an Freizeit und Gewinnen, wäre es allerdings nicht machbar, diese reine Handarbeit mit 35 Fachmitarbeitern zu gestalten. Unser „Backstationen-Zeitalter“ mit den großen Kettenläden lässt so kleine Handwerksbetriebe schnell sterben. Auch lässt sich die Bio-Konkurrenz, die ja auch erwünscht ist, nicht lumpen, da kommen Bio-Brote aus München und Hamburg nach Berlin, die Weichardts können ohnehin nur 600 Brote täglich backen, mehr geht nicht mit dem alten Ofen. Und mehr würde ihr soziales Konzept sprengen!
Das ist immer noch das große Anliegen der ganzen Familie und der langjährigen Mitarbeiter, ein soziales Miteinander, einer für den anderen! Jeder soll eine faire Chance bekommen, in unserer Gesellschaft ist das leider immer noch eine Ausnahme, wie schon vor 35 Jahren, als die Weichardts sich trauten, mit Knackis, Drogenabhängigen, Prostituierten und sozial im Abseits stehenden Menschen ihren Betrieb aufzubauen. Da haben die Synanontischler ihnen die Ladeneinrichtung gezimmert, natürlich waren Muckes Vorgaben einzuhalten. Diese Ladeneinrichtung wurde „modern“ und von renommierten Ladenbauern glatt abgekupfert! Auch die Idee, die Natursteinmühlen aus Osttirol direkt ins Schaufenster zu stellen, oder gar der Durchblick aus dem Laden in die Produktion der Konditorei ist für viele Mitstreiter später zum Vorbild geworden!
Sicher sind viele Rückschläge einzustecken gewesen, aber es ist auch sehr viel Zukünftiges und Lobenswertes daraus entstanden!
Darauf können die Weichardts stolz sein!